Im Rahmen des „hrXperten-Talks“ sprechen Marcus Reinhard (Gründer hrXperts) und David Gerspacher (Fachbereichsleiter Produktmanagement Food & Pharma Solutions) über die Herausforderungen einer zeitgemäßen Industrie:

MR: Welche Entwicklungen haben Sie zuletzt beschäftigt?

DG: Anhand dezidierter Marktanalysen konnten wir globale Megatrends erfassen und konkrete Anknüpfungspunkte für unser Unternehmen mit dem Fokus auf die Food (Retail und Gastronomie)- und Pharma-Branche ausmachen. Abgeleitet ergeben drei wesentliche Funktionszuschreibungen im Kontext der Digitalisierung: Durch die Digitalisierung soll erstens die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens gesteigert werden, zweitens die – insbesondere für die Lebensmittelsicherheit relevante – Nachverfolgbarkeit von Gütern garantiert werden. Drittens wird händeringend nach Plattformen zur Systematisierung sämtlicher (digitaler) Systeme und Prozesse gebündelt unter einem Dach gesucht. Ein Digitalisierungsbestreben ist entlang aller Sektoren im Food-Bereich spürbar!

MR: Welchen konkreten Mehrwert kann die Digitalisierung für Sie bieten?

DG: Durch den gezielten Einsatz digitaler Systeme wird eine Effizienzsteigerung durch Vernetzung der Prozesse innerhalb eines Unternehmens erreicht. Eine digitale Verwaltung ermöglicht einen schnelleren und transparenten Zugriff auf relevante Daten, welche nachfolgend als Entscheidungsgrundlage dienen. Weiterhin werden neue Vertriebskanäle geöffnet (Stichwort „home delivery“) und durch eine steigende Prognosequalität dank KI können Kosten reduziert und Food Waste signifikant reduziert werden. Außerdem steigt die Mitarbeiterzufriedenheit, da der händische Verwaltungsaufwand abnimmt.

MR: Neben Hoffnungen ruft der Einsatz von KI-Systemen häufig auch Befürchtungen hervor. Werden reale Mitarbeiter zukünftig durch digitale Systeme ersetzt?

DG: Die Mitarbeiter werden nicht zwangsläufig ersetzt sondern erhalten andere Aufgaben; vormals monotone Prozesse können angenehmer gestaltet werden. Arbeitsplätze erfinden sich in diesem Zuge neu, die Mitarbeiter werden nicht wegrationalisiert sondern entsprechend eines eklatanten Fachkräftemangels dort eingesetzt, wo sie benötigt werden. Insgesamt lassen sich Mitarbeiterstreichungen bei den Marktführern gegenwärtig nicht bzw. nur bedingt beobachten.

MR: Wie aufwändig stellt sich die Implementierung entsprechender digitaler Systeme dar?

DG: Aufgrund der hohen Anforderungen im Hinblick auf Lebensmittelsicherheit etc. werden die „Großen“ der Branche den Prozess voraussichtlich vorantreiben, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen werden durch den Einsatz digitaler Systeme profitieren. Die Entscheidung für die Digitalisierung ihrer Prozesse scheitert teilweise an der Einschätzung, ein solcher Schritt verursache hohe Kosten – indem wir aber die enormen Potenziale der Digitalisierung aufzeigen, kann diese Einschätzung zu großen Teilen revidiert werden- Weiter kann eine Verbesserung der Transparenz der Lebensmittelherkunft („von der Farm auf den Teller“), das Vertrauen der Kunden (zurück-)gewonnen werden. Wir haben entsprechende Projekte angestoßen, die Herausforderung besteht darin, verschiedene Akteure mit z.T. eigenen, unterschiedlichen Systemen zusammenzuführen.

MR: Die Digitalisierung könnte auch als ein Ausverkauf der Privatsphäre zugunsten von Benutzerfreundlichkeit gelesen werden – wie viele Bedenken haben Sie hinsichtlich des Datenschutzes?

DG: Wir arbeiten mit namenhaften Unternehmen zusammen, die zertifiziert sind und die bestmöglichen Standards einhalten; personenbezogene Daten werden entsprechend den jeweils gültigen Richtlinien behandelt.. Im Vergleich zur privaten Nutzung digitaler Systeme habe ich bei einer Industrie mit eigenen Sicherheitssystemen weniger datenschutzbezogene Befürchtungen.

MR: Der neue Chatbot „ChatGPT“ hat in den letzten Wochen auch im Kontext der (Hochschul-) Bildung für Aufregung gesorgt? Werden von Abschlussarbeiten aus Studentenhand perspektivisch überflüssig?

DG: Bei „ChatGPT“ handelt es sich um eine Datenbank, die mithilfe Künstlicher Intelligenz auf im Internet frei verfügbare Textbausteine zurückgreift und neue Erzeugnisse produzieren kann – eben aufgrund dieser Herangehensweise werden Studienarbeiten nicht überflüssig. Ich halte den „ChatGTP“ jedoch für ein gutes Tool mit Entwicklungspotenzial, gerade was die Quellennachverfolgbarkeit angeht.

MR: Wenn Sie heute einen Blick in die Glaskugel werfen müssten – wie wird sich die Arbeitswelt in 20 Jahren mit der Digitalisierung verändert haben?

DG: Wir werden eine agilere Arbeitshaltung, in Bezug auf die tägliche Tätigkeit und die Weiterentwicklung an den Tag legen müssen. Die Entwicklungszyklen werden immer kürzer; um dieser Tatsache standhalten zu können muss die klassische Messtechnik im Einklang mit der Software weiterentwickelt werden. Um eine Komplexitätsreduktion zu erreichen, muss die Fertigungstiefe zugunsten eines Fokus auf einzelne Module bei gleichbleibender Qualität reduziert werden. Weiterhin erscheint es sinnvoll, die Wahl der Produktionsstätten zu hinterfragen, frühere Preisvorteile durch geringere Personalkosten in Land X werden zum Teil durch gestiegene Logistikkosten neutralisiert. Wenn Systeme (Hard- und Software) auf die Bedürfnisse der jeweiligen Kundengruppe abgestimmt sind, kann der Faktor „Gasterlebnis“ durch die Digitalisierung erheblich gesteigert werden und somit zu einer höheren Kundenbindung beitragen.